A screaming comes across the sky. It has happened before, but there’s nothing to compare to it now.

Dirty City Resurrection

Hades meets Jesus in Dirty City. In Person von Antônio Luiz de Tefé von Hoonholtz alias Anthony Steffen als Kreuz, äh, Django il bastardo in Sergio Garrones gleichnamigem Film (Italien 1969; deutscher Titel: Django und die Bande der Bluthunde). Eine Reanimation, endlich: „Große Duelle des Italowesterns“, Teil zwei.

Nach dem Vorspann – einer Abfolge diverser historischer Zeichnungen, Kupferstiche, Radierungen, Daguerreotypien, zum größeren Teil Darstellungen des Sezessionskrieges, gewaltdurchtränkt, düster, soldatisch –, an dessen Ende Uncle Abe den Zylinder zum Gruße zieht, landen wir in Dirty City, einem menschenleeren Städtchen, im Nirgendwo angesiedelt und doch verortbar als Fegefeuer o. Ä.

Django

AS doppelt in Szene gesetzt: als R. J. Carver (rechts) und als Abgewandter – auf dem Weg zur Sonne, zum Licht, zur Erlösung

Aus unterschiedlichen Blickwinkeln sehen wir, toll gefilmt, einen schwarz gekleideten Mann die Hauptstraße hinunterschreiten – Einzug zum Hochamt irgendwie –, bis er schließlich haltmacht und ein Kreuz in den Boden rammt.

Ein Kreuz für Sam Hawkins, 13.11.1881

Ein Kreuz für Sam Hawkins, nicht zu verwechseln mit dem dort

Die ersten Worte des Films: „Ein Kreuz. Verdammt!“ Einer der Kumpels von Sam Hawkins (Victoriano Gazzara) beobachtet und kommentiert knapp und korrekt. Die Bande fläzt in einer versifften Stube, dem Vorzimmer des Teufels, besoffen, im Halbschlaf. Da Hawkins neugierig ist – nachvollziehbar –, gehen er und seine vier Männer raus, um den Fremden zu fragen, was das denn soll. Statt eine Antwort zu geben, hebt dieser wortlos den gesenkten Kopf und gibt unter der Hutkrempe sein Gesicht zu erkennen. Flashbacks von Soldaten, die erschossen, niedergemetzelt werden. Dann das Unausweichliche: Sam Hawkins geht sein letztes Licht auf, da erschießt Django auch schon ihn und seine Freunde. Der Stygische hat zum ersten Mal zugeschlagen. Schnitt.

Gar kein schlechter Auftakt, der Sergio Garrone und Anthony Steffen da gelungen ist. AS zeichnet hier übrigens nicht nur für die Darstellung des Schwarzen verantwortlich, sondern hat sich als Antonio de Teffè diese Rolle auch noch selbst auf den Leib geschnitzt. (Tat er dann noch einmal für einen Italowestern, und zwar sich hier in Szene setzend als Donnergott Shango, unter der Regie von Edoardo Mulargia.)

Das zweite Duell. Eine Hazienda. Zwei Arbeiter werfen sich gegenseitig eine brennende Dynamitstange zu, Dixieland-Jazz aus dem Off, Orpheus treibt seine Späßchen, die Blicke des Publikums (des filmischen) schwanken von links nach rechts und zurück. Ein flottes Tennismatch auf dem Centre-Court „Duca di Blangis“. Unter den Zuschauern befinden sich alle für den weiteren Handlungsverlauf wesentlichen Charaktere: (Major) Rod Murdo[c]k (Paolo Gozlino); sein wahnsinniger Bruder Hugh (Lu Kamante [d. i. Luciano Rossi]), ausgesprochen: Hjuhg, in der deutschen Version Jack, ausgesprochen: Tschack; dessen Frau Alida (Rada Rassimov) und (Captain) Howard Ross oder Ross Howard (Jean Luis). Für Letzteren lässt Django in der nächsten Szene vom örtlichen Tischler ein neues Kreuz anfertigen. Es kommt, wie es kommen muss, der Besuch Djangos bei seinem ehemaligen Bürgerkriegskameraden, wie wir nun erfahren haben, endet höchst unerfreulich für Howard oder Ross – der winselt und zetert, will sein Schicksal nicht wahrhaben: „Verschwinde! Du bist schon lange tot!“ – in einem Grab auf dem Dirty-City-Friedhof. Die Grube ist schon ausgehoben, das Kreuz platziert, der gierige Exhauptmann muss also nur noch überzeugt werden, sich reinzulegen. Django erledigt dies mit einer Kugel. Charon hat den nächsten Fährgast.

»Da hüft ka zttan da hüft ka zogn, weu von mia do weans dawigt.« Nicht nur Wiener Sexualverbrecher kennen keine Gnade, auch der Nächtliche ist unerbittlich.

„Da hüft ka Zittan, da hüft ka Zogn, weu von mia do wean’s dawiagt.“
Nicht nur Wiener Sexualverbrecher kennen keine Gnade, auch der Nächtliche ist unerbittlich.

Exleutnant Hawkins’ und Exhauptmann Ross’ Tod beunruhigt Exmajor Murdock so, dass er zwanzig Pistoleros engagiert, die Django den Garaus machen sollen – die titelgebende Bande der Bluthunde.

Wir bekommen nun ein wenig Einblick ins Familienleben und in das Geschäftsgebaren des Exmajors – schwierig, um’s vorsichtig auszudrücken.

Wenn man fragt, kriegt man vom Abgewandten auch eine Antwort. »Wohin gehst du jetzt?« »Zur Hölle. Und ich versichere dir, dass es dort nichts zu lachen geben wird.«

Wenn man fragt, kriegt man vom Abgewandten auch eine Antwort.
„Wohin willst du denn jetzt?“
„Zur Hölle … In der Hölle ist einer wie du ganz schnell fertig.“

Den Wanderer zwischen den Welten gab AS übrigens bereits 1964, damals als Akim im Peplum Gli invincibili fratelli Maciste, Drehbuch von Edoardo Mulargia.

Der Film schleicht nun eher mühsam dahin – Melpomene ist offenbar müde. Die berüchtigte Bande der Bluthunde ist lediglich ein klägliches Häuflein Schoßhündchen, so furchteinflößend wie Oliver & Co. – solange Billy Joel nicht zu singen beginnt! –, angeführt von einer eigenartigen Promenadenmischung mit Kinn- und Oberlippenbart (und in der deutschen Fassung mit einem kaum zu identifizierenden Akzent).

»Habt ihr das gehört Bluthunde? In Dirty City warten auf jeden von uns tausend Stücke!« Allerdings: Bereits am Styx verortet? Samt Fährmannshütte – also Nachfahren des Cerberus? Es gilt also auch für Hunde, dass man sich seine Verwandtschaft einfach nicht aussuchen kann.

„Habt ihr das gehört, Bluthunde? In Dirty City warten auf jeden von uns tausend Stücke!“
Allerdings: Bereits am Styx verortet? Samt Fährmannshütte – ergo Nachfahren des Cerberus? Es gilt also auch für Hunde, dass man sich seine Verwandtschaft einfach nicht aussuchen kann.

Es folgt: Django besucht Murdocks Hazienda, schickt jede Menge von dessen Leuten über den Jordan und gewinnt dabei die Zuneigung von Hughs Gattin Alida – diese wurde von Rod gefesselt zurückge- und ihrem Schicksal überlassen.

Wir lernen nun Dirty City näher kennen. Und zwar wird uns die Stadt vom tobenden Hugh Murdock vorgestellt, der einen armen Mitarbeiter, der einmal zu viel geplaudert hat, hinter seinem Wagen herschleift und dessen Leichnam danach am Hauptplatz verhöhnt.

Arbeiternehmerschutz anno 1881 in Dirty City.

Arbeiternehmerschutz anno 1881 in Dirty City

Die Stadtgranden bedrängen den Sheriff (Furio Meniconi), der seinen Dienst in einem Marshal-Office versieht, etwas gegen das Treiben von Murdocks Bande zu unternehmen. Dieser reagiert gelassen und mutig, jedoch erfolglos. Hugh, dem wieder einmal seine Lyssa was ins Ohr geflüstert hat, bringt grinsend ihn und noch ein paar andere Einwohner von Dirty City um.

Lincoln ist zwar schon seit 16 Jahren tot. In der Amtsstube des Sheriffs von Dirty City hängt sein Portrait allerdings noch immer an der Wand.

Abraham Lincoln ist zwar schon seit sechzehn Jahren tot, in der Amtsstube des Sheriffs von Dirty City hängt sein Porträt allerdings noch immer an der Wand

Es beginnt die Vorbereitung aufs „grande finale“. Dazu wird Dirty City zunächst evakuiert – Lebende haben in der zur Nekropole sich remetamorphosierenden Stadt nichts verloren. Exodus.

Marsch gen »Sol«, revisited. Dirty City wird wieder entvölkert, wieder zu Death City.

Marsch gen SOL, revisited. Dirty City wird entvölkert, zu Dead City.

Und:

Umgekehrte Migrationsbewegung – Einwanderung in Dirty City.

Umgekehrte Migrationsbewegung – Einwanderung nach Dirty City

Während Django durch eines der von seinen Bewohnern befreiten Häuser schleicht, entdeckt er eine mit „Navy Cut“ etikettierte Flasche. Es folgt eine Rückblende, famos: Nacht, ein Camp der Konföderierten (in der legendären Schottergrube), belagert von den Yankees –sprich: Tschänkis –, Kanonendonnergrollen in der Ferne. Ein Sergeant schlendert mit einer Flasche Navy-Cut-Whiskey zu Djangos Zelt. Es entspinnt sich folgender in seiner Rätselhaftigkeit großartige Dialog:
„Hey, Django! Du machst dir die Augen kaputt, wenn du so viel liest.“ Und weiter: „Kuck mal, was wir gefunden haben!“ Gibt ihm die Whiskeyflasche.
Django, total aus dem Häuschen: „Das is’ ja irre! Das is’ ’ne super Marke! Wann hab’ ich so was das letzte Mal in der Hand gehabt? Junge, die zwitschern wir leer, dass es bloß so raucht!“
Aber: „Was haben wir davon, wenn wir uns einen ansäuseln? Ich hab’ da ’ne andere Idee. Wir geben sie unseren Offizieren.“
Django: „Unseren Offizieren?“
„Ja.“
„Warum auch nicht? Sollen die morgen ’n dicken Kopf haben.“
Das macht einen sogar beim Schreiben/Lesen kirre. Ganz ohne Navy Cut.

Vor dem Abstieg in die Unterwelt – die junge Leseratte. Kein Django wird je wieder ein Buch anrühren. Trauma oder Vernunft?

Vor dem Abstieg in die Unterwelt – die junge Leseratte. Kein Django wird je wieder ein Buch anrühren. Trauma oder Vernunft?

Also machen sich die beiden auf den Weg zum Zelt der Offiziere – diese sind klarerweise Major Murdock, Captain Ross und Lieutenant Hawkins – und finden es leer vor. Schnell wird ihnen klar, dass sie von ihren Vorgesetzten verraten worden sind. Angreifende Unionisten (hier wurde beim Dreh ordentlich gespart, sind doch immer nur maximal fünf Soldaten gleichzeitig zu sehen) metzeln die Konföderierten nieder, auch Django stirbt. So stellen dies unsere drei Offiziere zufrieden fest. „Mission accomplished“.

Rückkehr ins Jetzt. Der Furchtbare konfrontiert Murdock nun direkt. Er schwört ihm Rache, dass er vielmals sterben werde, für jeden gefallenen Soldaten einmal. Eine ungeheure Ansage, getätigt unmittelbar aus der Unterwelt heraus und mit deren Macht. Deutbar auch als Erweiterung auf den gesamten Bandenkörper, die ganze Meute: Django erledigt jedenfalls, einen nach dem anderen, die Halunken, die Murdock beschützen und ihn selbst umbringen sollten.

Dann ein Moment der Schwäche. Er wird von Hugh ausgetrickst – der als Einziger immun zu sein scheint gegen His Darkness –, seiner Waffe entledigt und angeschossen. Django, wieder Mensch, blutet also. Verwundet in der Auseinandersetzung mit dem Rasenden. Zurückgeholt zu den Sterblichen.

»Und, juchhe! der Brausende voran!« so die Bacchantinnen bei Euripides.

„Und, juchhe! der Brausende voran!“, so die Bacchantinnen bei Euripides

Derweil wollen Teile der Gedungenen abhauen; doch dazu ist es zu spät – aus Dirty City kann es kein Entkommen mehr geben. Also metzeln sich Murdock-Loyalisten und -Separatisten gegenseitig hin. Übrig bleibt nur ein letzter, kleiner Rest, darunter natürlich die „fratelli“ Murdock.

Django beobachtet die Brüder – eher keine Dioskuren – und ihre Gefährten.

Django beobachtet die Brüder – eher keine Dioskuren – und ihre Gefährten

Der verwundete und vermenschlichte Django sucht nun Asyl beim Herrn.

Vor der Erlösung, Part 1.

Vor der Erlösung, Teil eins

Dort erwarten ihn aber zunächst nicht Vergebung und Erlösung, sondern ein Hinterhalt des rasenden Hugh. Wie ein Dämon/Derwisch versucht dieser, Django mit einem Strick zu erhängen. Im Hause des Herrn kann dies jedoch nicht gelingen – Satan stürzt zu Tode. Befreit vom Dämon, folgen Katharsis und Rückwandlung. Auferstehung und Wiederbewaffnung des Ungebändigten unter dem Dach des Herrn. Django ist wieder stygisch. Er kann nun zum letzten Akt schreiten.

Doch zunächst sehen wir noch, wie Rod Murdock der letzten Phase seiner Bestimmung entgegenstürmt – in die Kirche, den Tod seines geliebten Bruders erkennen müssend.

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Murdock, vorbei am Licht, hin zur Kirche. Zu seiner Erkenntnis, dem Tod des Bruders. Vor dem noch schattenlosen SOL.

Django tötet die letzten Schurken im Dienste Murdocks und platziert das Kreuz mit dessen Namen und Sterbedatum in der Hauptstraße.

Murdok (sic!) – schon um einen Buchstaben kürzer.

Murdok – bereits um einen Buchstaben kürzer

Der Showdown beginnt. Murdock verlässt die Kirche. Django wartet schon.

Der Schatten gibt die Richtung vor.

Der Schatten gibt die Richtung vor

Schon mit einem Bein im Grab (Schatten).

Schon mit einem Bein im Grab/Schatten

Die Uniformjacke vom Gemetzel, jetzt in schwarz – klar.

Die Uniformjacke des Gemetzels, jetzt in Schwarz – klar

„Deine Stunde ist gekommen, Murdock.“ Daraus wird 1985 bei John J. R., Indianer, Italiener oder Deutscher, jedenfalls Ami und Kinomythos: „Murdock, ich hol’ Sie mir!“ J. J. R. kennt dann jedoch Gnade …

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Django war schneller. Fehlerkorrektur gescheitert.

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Das Ende. Django wieder ganz er selbst. Alida versucht, ihn zum Bleiben zu überreden. Natürlich vergeblich. Dort, wohin er zieht, braucht er kein Geld. Hades kann in sein Reich zurückkehren.

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