This is part of the storm that sweeps now among them all, both sides of Death.

Eine italienische Nacht

Gordon Mitchell

Während das junge Volk beim Heurigen hockt, im Biergarten feiert oder sonst wo abhängt, stelle ich mich in den Dienst der Wissenschaft.

Im Kabelfernsehen (MGM) laufen ab 20.15 Uhr einige »Perlen« des Italowesterns. Ich werde versuchen, so lange wie möglich dabei- und wach zu bleiben. Der Ausgang dieses gewagten Experiments ist ungewiss. Coke und Haribo liegen in Griffweite, ab auf die Couch, und los gehts!

Den Anfang macht George Eastman (d. i. Luigi Montefiori) in Django tötet leise (Bill il taciturno, Italien, Frankreich 1967, Regie: Massimo Pupillo). Der Vorspann ist schon mal vielversprechend billig gemacht. Keine Schonfrist … gut so, ich bin bereit.
»Hat dir denn deine liebe Mami nicht beigebracht, wie man sich zu benehmen hat?«
Die ersten Worte des Abends.
»Wer ballert hier denn rum, Joe?«
Es wird nicht besser … Ich verliere kurz die Konzentration und mit ihr auch gleich den Faden. El Santo, Sanders oder doch Slander, Johnson oder doch Thompson – ich bin verwirrt. Geht aber nicht nur mir so, denn die Handlung bei Thomas Weisser nachzuvollziehen scheitert kläglich. Er will im Film »wonderfully creative camerawork [sic!]« festgestellt haben. Da kann ich nicht weiterlesen. Sinnlos.
»He, Jungs, seht mal! Die Weiber sind wieder da!«
Der Film wird immer rätselhafter. Nachdem jetzt irgendwie alle gegen alle gekämpft haben, findet eine große Versöhnungssause mit besagten Ladys im Saloon von Thompson statt. Die Gesangseinlage der großartigen Susy gibt es auf Italienisch … Nur Django schleicht draußen herum. Aha, die gute Susy war auch für den Waffentransport verantwortlich; klar, dass Thompson begeistert ist: »Susy, du bist die fabelhafteste Person, die mir jemals über den Weg gelaufen ist.«
Jetzt Prügelei im Saloon – warum, ist mir entgangen. Kurzes Nickerchen, und nun brennt plötzlich eine Blockhütte, in der Django kämpft. Gleichzeitig greifen die Mexikaner an. Noch fünf Minuten, dann ist der erste Film geschafft! Große letzte Sätze – Thompson zu seinen Männern: »Das war heiß. Aber jetzt haben wir eine Weile unsere Ruhe.«
Auftritt des tot geglaubten Django. Nun haben sie tatsächlich Ruhe, und zwar die, die ewig währt. Die Bombe am Schluss: Django reitet mit der Frau davon. Nein, ich fantasiere nicht!

Und jetzt Maestro Fidani, hier unter seinem Pseudonym Dick Spitfire am Werk: Django und Sartana kommen (Arrivano Django e Sartana … è la fine, Italien 1970). Mir schwant Übles …

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Ich bin sprachlos: Burt (großartig: Gordon Mitchell) spielt mit seinem Spiegelbild Poker – »Burt, du bist der Beste!« –, während seine Kumpels zusehen. Was für ein Auftakt! Jetzt wird allerdings mal geritten, und zwar, typisch Fidani, verdammt lange! Da heißt es kämpfen für mich. Und die nächsten Nichtüberraschungen: Wieder mal wird eine Tochter entführt, und wieder mal wird sie von seiner Tochter Simone Blondell dargestellt. Die langen Reitszenen verschaffen mir Zeit, ein bisschen bei Weisser nachzulesen. Jessica, die Tochter, heißt bei ihm Anne. Der Rest scheint so einigermaßen zu passen.
Am Bildschirm noch immer eisernes Schweigen und sinnloses Reiten, immerhin kommt Sartana an – zu früh gefreut, das Dorf ist verlassen. Eine Kröte hoppelt durchs Bild. Sartana reitet also weiter. Jetzt aber: ein Saloon! Schnitt zu Burt. Der sitzt noch immer vor seinem Spiegelbild, ist aber sauer: »Ich spiele nicht mehr mit dir, und zwar weil du betrügst!«
Respekt: Das ist an Wahnsinn kaum zu überbieten! Reiten … Reiten und noch mal Reiten. Zwei Minuten belangloser Dialog, jetzt wieder Reiten. Es wird gekämpft, und zwar nicht nur auf der Couch, sondern auch im Film.

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Reiten. Kurze Verschnaufpause: Die Pferde brauchen Wasser, ich einen Schluck Whiskey. Seit Ewigkeiten gibt es eine Schießerei in einer Schottergrube. Das ist so unfassbar schlecht gemacht. »Kriech wie eine Schlange!«, hat aber was … und laut Nachspann war ein Adolfo Stasi am Film beteiligt. Das sagt alles.

Fidani hat also, wie zu befürchten war, ordentlich Substanz gekostet. Schon schwer angeschlagen, beginne ich mit Django – unerbittlich bis zum Tod (Il mio nome è Mallory, “M” come morte, Italien 1971, Regie: Mario Moroni). Ganz so weit werde ich nicht gehen, auch wenn es für die Wissenschaft ist.

Mallory

Ein ungewöhnlicher Vorspann: Kuhherden gibt es im Italowestern eigentlich nie. Robert Woods spielt also ein Halbblut … Was vorher geritten wurde, wird jetzt gequatscht und kuhgetrieben.
»Wenn so ein Gaul plötzlich wiehert, ist die ganze Überraschung im Eimer«, vorgetragen mit der Verve eines hundertjährigen Phlegmatikers. Es reicht, ich muss die Notbremse ziehen. Das waren jetzt die drei schlechtesten Filme, die ich seit Langem gesehen habe. Ich muss also mein Projekt aus gesundheitlichen Gründen abbrechen. Auch Djangos Kopf hat seinen Preis (Anche per Django le carogne hanno un prezzo, Italien 1971, Regie: Luigi Batzella) muss warten, und Django – sein Gesangbuch war der Colt (Le colt cantarono la morte e fu … tempo di massacro, Italien 1966, Regie: Lucio Fulci) hab’ ich schon auf DVD gesehen. Gute Nacht.

Nachtrag: Mariä Himmelfahrt, acht Uhr morgens, leicht verkatert, MGM ist rückfällig (so wie ich)

Anche per Django le carogne hanno un prezzo

Jeff Cameron (d. i. Goffredo Scarciofolo) – wie immer bin ich fassungslos im Angesicht des Irrsinns und der unverschämten Talentlosigkeit dieses Mannes, während er so glaubwürdig wie Gunther Philipp als Dschingis Khan ist – wirkt so, als hätte ihn mein Vater in einem Ferienfilmchen in der Steiermark in Szene gesetzt. Sogar im Gleichmut des Katers kann ich das nicht ertragen.
»Stell dir vor, die wollten meinen Sattel … Mein Sattel ist mir heilig. Wie gesagt, der ist von meinem Opa.«
»Ich würde mir einen Sattel von meinem Opa auch nicht wegnehmen lassen. Ich habe auch etwas verloren, das mir sehr lieb und teuer war, und ich suche es.«
Ich schreibe kurz, dann:
»Wo ich herkomme, besäuft man sich bei Begräbnissen.«
Dafür ist es für mich zwar zu früh, es ist aber ein schöner Schlusssatz – l’esperimento è finito!